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Haushaltswirtschaftssystem

Haushaltswirtschaftssystem-Niedersachsen (HWS-Nds.) 

Engbedruckte Formulare in vielfacher Ausfertigung, die in Weisermappen verstaut von Boten auf dem Dienstweg durch Amtsflure befördert werden, gehören in Niedersachsen der Vergangenheit an. Bereits Anfang 2000 wurde die Haushaltsbewirtschaftung auf ein voll vernetztes Computersystem umgestellt. Von der Planung über den Vollzug bis zur Rechnungslegung werden die Zehntausende von Haushaltsdaten mit einer modernen, leistungsfähigen Software in einem integrierten System verarbeitet. Im Finanzministerium ist die zentrale Verfahrenssteuerung angesiedelt.

Das Land Niedersachsen hatte sich bereits Ende der 1990er Jahre das ehrgeizige Ziel gesetzt, ein integriertes, automatisiertes Haushaltswirtschaftssystem zu schaffen, das den gesamten Prozess der Haushaltswirtschaft von der mittelfristigen Planung und der Haushaltsplanaufstellung über die Haushaltsführung und den Haushaltsvollzug bis hin zur Haushaltsrechnung abbildet.

1998 wurde in Zusammenarbeit mit der Firma Baan - heute stellt das Unternehmen Infor die Software zur Verfügung - damit begonnen, ein solches Haushaltswirtschaftssystem auf Basis einer ERP-Software zu entwickeln. Das erste Modul davon, das sog. Haushaltsvollzugssystem (HVS) wurde mit der Jahrtausendwende zum Haushaltsjahr 2000 in Betrieb genommen. Eine der wesentlichen Neuerungen des HVS ist die konsequente Umsetzung der dezentralisierten Bearbeitung aller anfallenden Kassenanordnungen: Die bisher getrennte fachliche und finanzielle Bearbeitung eines Verwaltungsvorgangs wird auf einem Arbeitsplatz zusammengeführt. Seit dem Jahr 2000 laufen damit alle Transaktionen, bei denen Haushaltsmittel eingenommen, ausgegeben oder umgebucht werden, elektronisch, medienbruchfrei und beinahe papierlos ab. Seit April 2010 steht den Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeitern in den Landesbehörden das HVS webbasiert über das Landesnetz zur Verfügung, die bis dahin lokal installierten Komponenten für den Zugriff auf das Verfahren wurden durch clientunabhängige und installationsfreie Lösungen ersetzt.

Nahezu alle Kassenaufgaben (Buchführung, Zahlungsverkehr, Kassenabschlüsse, Nachweis über das Vermögen und die Schulden im Rahmen der Vermögensrechnung) werden über das HVS abgewickelt. Außerdem wurden kassenspezifische Aufgaben, wie beispielsweise das Erstellen von Jahresabschlüssen und ein Mahn- und Vollstreckungsverfahren, in das HVS integriert. Auch Kassenanordnungen aus anderen Verfahren können über eine Schnittstelle ohne zusätzlichen Erfassungsaufwand in das HVS übertragen werden. Innerhalb der Kassenbuchführung lassen sich unterschiedliche Strukturen aus zentralen und dezentralen Kassen darstellen. Zeitbuch, Sachbücher der Kasse, Kontogegenbuch und Schalterbücher werden elektronisch geführt und ermöglichen jederzeit einen Überblick über den Kassen-Soll- und den Kassen-Ist-Bestand, schwebende Zahlungen sowie den aktuellen Kontobestand der Buchführung. Anhand der Sachbücher werden zum Jahresabschluss die Kassenreste, Festlegungen und Bestände ins nächste Haushaltsjahr vorgetragen. Der Jahresabschluss bildet die Basis für die Haushaltsrechnung.

Rund 11.000 Anwenderinnen und Anwender arbeiten heute täglich mit dem System. Ein ausgefeiltes Rollen- und Berechtigungskonzept sowie eine auf Webtechnologie basierende elektronische Signatur und Authentisierung gewährleisten einen hohen Sicherheitsstandard bei den Transaktionen. Darüber hinaus wird jedes eingerichtete Benutzerkonto einer sogenannten „starken Kopplung“ unterzogen, d.h. der Aufruf des Verfahrens ist ausschließlich mit der im HVS hinterlegten Kombination von Benutzerkennung und Signaturkarte möglich.

Die Ordnungsmäßigkeit und Sicherheit des HVS wurde im Rahmen einer Vor- und einer Hauptuntersuchung privater Wirtschaftsprüfungsgesellschaften nachgewiesen, die Einwilligung zum Betrieb des HVS liegt seit Dezember 2012 vor.

Ein umfangreiches Berichtswesen mit differenzierten Sichten und verschiedenen Aggregationsmöglichkeiten eröffnet vielfältige, variable Auswertungsmöglichkeiten im gesamten HWS. Zudem ermöglicht es jederzeit einen umfassenden Überblick über die Finanzen des gesamten Landes, eines Ressorts oder einer einzelnen Behörde.

Das HVS beinhaltet darüber hinaus ein Mahn- und Vollstreckungsverfahren: Alle Forderungen des Landes (öffentlich-rechtliche und privatrechtliche) werden im automatisierten Mahnverfahren überwacht. Verzugszinsen, Mahngebühren und Säumniszuschläge werden automatisch errechnet. Nebenforderungen werden automatisiert zum Soll gestellt und mit der ursprünglichen Forderung verknüpft. Manuelle Eingriffe in das Mahnverfahren sind dabei jederzeit möglich. Nach dem Mahnverfahren wird der Säumnisfall automatisch dem Vollstreckungsverfahren überstellt. Im Fall des Ausschlusses von Vollstreckungsmaßnahmen erhält der Sachbearbeiter eine Rückstandsanzeige. Im Vollstreckungsmodul (CXS) werden die vollstreckbaren Forderungen mit im System hinterlegten Vollstreckungsmaßnahmen weiter bearbeitet und der Vollstreckungserfolg automatisch überwacht. Amtshilfeersuchen von Bundesbehörden oder Behörden anderer Bundsländer können ebenfalls problemlos über eine Schnittstelle in das Vollstreckungsmodul überführt werden.

Seit der Einführung des HVS werden Kassenaufgaben grundsätzlich von nur noch einer Landeskasse, der Landeshauptkasse im Niedersächsischen Finanzministerium, wahrgenommen. Die übrigen Landeskassen wurden weitgehend aufgelöst. Einzige Ausnahme sind die Finanzkassen, die einen Teil ihrer Aufgaben weiterhin selbst erfüllen. Die Effektivität und die Effizienz der Abläufe konnten durch die weitgehende Automatisierung und Verringerung der beteiligten Personen deutlich gesteigert werden.

2002 wurde das HWS durch zwei weitere Bausteine, das Haushaltsplanungssystem (HPS) und das Haushaltsführungssystem (HFS) erweitert. Mit dem HPS wurde die Haushaltsplanaufstellung automatisiert. Das HPS unterstützt die Aufstellung des Haushaltsplanentwurfs, seine Bearbeitung durch die politischen Gremien und die Übernahme der Planansätze und Haushaltsvermerke in den Haushaltsvollzug. Festlegungen der Haushalts- und Planstrukturen sowie Vorgaben für die Mittelbewirtschaftung wie z. B. Deckungs- und Korrespondenzkreise werden berücksichtigt. Am Ende wird dann automatisch eine Druckvorlage des Haushaltsplanes im pdf-Format erstellt.

In das HPS integriert ist die Mittelfristige Planung, also die Darstellung einer koordinierten Finanz- und Aufgabenplanung über einen 5-Jahres-Zeitraum. Die Ansätze der Mittelfristigen Planung werden automatisch in das jeweilige Planungsjahr im HPS übernommen und können dort fortgeführt bzw. angepasst werden.

Die im HPS erzeugten Plandaten werden wiederum automatisiert an das HVS und das Haushaltsführungssystem (HFS) übergeben. Im HFS findet die zentrale Haushaltsführung statt. Neben der Mittelverteilung können Haushaltsmittel gesperrt oder umgesetzt, außer- und überplanmäßige Haushaltstitel eingerichtet und Verpflichtungsermächtigungen freigegeben werden. Die dazu erforderlichen Anträge und Bewilligungen sowie die Buchungen erfolgen über das System. Außerdem bietet das HFS ein Kassenbudgetverfahren und ermöglicht die Aufstellung von Haushaltsstatistiken.

Nach Abschluss des Haushaltsjahres muss über die Einnahmen und die Ausgaben dem Landtag gegenüber Rechnung gelegt werden. Die dazu erforderliche Haushaltsrechnung wird im HWS mit dem Haushaltsrechnungssystem (HRS) zusammengestellt. Das HRS ist der jüngste Baustein im integrierten HWS und hat sich erstmals bei der Aufstellung der Haushaltsrechnung für das Haushaltsjahr 2004 bewährt.

Das HRS besteht aus zwei Teilen: Dem sog. Resteverfahren, mit dem automatisch die rechnerischen Haushaltsreste ermittelt werden. Antragstellung und Bewilligung zur Übertragung der Haushaltsreste in das nächste Haushaltsjahr werden wie auch die spätere Buchung im HRS vorgenommen. Mit dem zweiten Teil des HRS wird die eigentliche Haushaltsrechnung erstellt. Dazu wird zunächst automatisch ein erster Entwurf der Haushaltsrechnung einschließlich aller dazugehörigen Anlagen unter Berücksichtigung der Daten aus den anderen Modulen erzeugt. Dabei werden alle rechenbaren Deckungs- und Korrespondenzkreise automatisch berechnet. Dieser Entwurf wird im HRS bearbeitet, so dass nach dem Abschluss der Bearbeitung wie im HPS eine komplette Druckvorlage im pdf-Format für die Haushaltsrechnung zur Verfügung steht.

Das Haushaltswirtschaftssystem HWS mit seinen Modulen HVS, HPS, HFS sowie HRS bildet somit den gesamten Haushaltskreislauf ab. Dabei werden selbstverständlich die Regelungen der Landeshaushaltsordnung und der sie ergänzenden Vorschriften ohne Einschränkung beachtet.

Zusätzlich beinhaltet das HWS eine Kosten- und Leistungsrechnung (KLR). In der KLR lassen sich verwaltungsindividuelle Kostenstellen- und Kostenträgerstrukturen grundsätzlich frei definieren und die relevanten Wertflüsse dimensionsübergreifend abbilden. Über die Kontierungssystematik in der Mittelbewirtschaftung werden Kosten- und Erlöszurechnungen nach Art, Leistungsort und -gegenstand vorbereitet. Alle direkt oder indirekt entstehenden Personal- und Sachkosten der Verwaltungsvorgänge können kostenstellen- und kostenträgerbezogen gebucht werden. Personalkosten werden dabei normalisiert nach Durchschnittssätzen erfasst. Der Abgleich mit den Personalausgaben erfolgt auf Verwaltungsbereichsebene. Gemeinkosten werden von den Kostenstellen mittels Umlage oder innerbetrieblicher Leistungsverrechnung den Hauptkostenstellen und/oder den Kostenträgern bzw. den Produkten zugeordnet. Eine entsprechende technische Realisierung ist dadurch gegeben, dass die Software für die leistungsorientierte Haushaltswirtschaft Niedersachsen (LoHN) in das Haushaltswirtschaftssystem integriert worden ist.

Das HWS ist zudem keineswegs auf die bisher beschriebenen Bestandteile beschränkt, sondern bietet weitere Einsatzmöglichkeiten. Da es auf einer ERP-Software basiert, kann es u. a. neben der kameralistischen auch die kaufmännische Buchführung abbilden. Im Bedarfsfall können sogar beide Buchführungssysteme miteinander verbunden werden. Als Beispiel dafür sei die Niedersächsische Landesforst als Anstalt des öffentlichen Rechts genannt, die seit dem Haushaltsjahr 2005 vordergründig im kameralistischen System bucht, im Hintergrund jedoch die Buchungen zeitgleich im kaufmännischen System auf Sachkonten durchführt, die dann in die Gewinn- und Verlustrechnung sowie die Bilanz einfließen. Damit ist das HWS auch für zukünftige Anforderungen an eine moderne Haushaltswirtschaft gewappnet.

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