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erstellt am:
26.11.2025
LÜBECK. Die Finanzressorts der norddeutschen Länder Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein haben sich am heutigen Mittwoch zur vierten Nord-Finanzministerkonferenz in Lübeck getroffen und sich zu unterschiedlichen finanzpolitischen Themen ausgetauscht. Im Mittelpunkt standen die aktuelle Haushaltslage der Länder, die Erwartungen an die Kommission zur Reform der Schuldenbremse sowie Maßnahmen zur Bekämpfung von Geldwäsche. Auch über den Reformbedarf bei der Erbschaftsteuer wurde beraten. Zudem sprachen die Länder über die anstehenden Tarifverhandlungen.
Haushaltssituation der Länder und anstehende Tarifverhandlungen
Trotz einer teils positiven Oktober-Steuerschätzung bleibt die Haushaltslage der Länder weiterhin angespannt. Zur Finanzierung der notwendigen Ausgaben werden aktuell auch Kredite und Entnahmen aus Rücklagen benötigt. Die Handlungsspielräume bleiben begrenzt. Verschärft wird die Lage durch Steuerrechtsänderungen des Bundes sowie stark steigende Personal- und Sozialausgaben. Um die positive Tendenz der Oktober-Steuerschätzung zu einem Trend zu verstetigen, fordern die Nordländer gemeinsame Anstrengungen und ein abgestimmtes Vorgehen zwischen Bund und Ländern, um die Wirtschaft weiter zu stärken.
Die angespannte Haushaltslage begrenzt zudem den finanziellen Spielraum für die Tarifverhandlungen, die im Dezember beginnen. Hinzu kommt die aktuelle Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die noch einer intensiven rechtlichen Prüfung unterzogen werden muss. In den kommenden Tarifverhandlungen fordern die Gewerkschaften 7 Prozent mehr Lohn, mindestens jedoch 300 Euro monatlich, für die Laufzeit von nur einem Jahr. Dafür müssten die Länder in Deutschland insgesamt jährlich rund 4 Milliarden Euro zusätzlich aufbringen. Mit einer Übertragung auf die Beamtinnen und Beamten stiegen die Kosten auf etwa 12,6 Milliarden Euro pro Jahr. Die norddeutschen Finanzressorts sind sich einig, dass diese Forderungen auch angesichts der Lage der öffentlichen Haushalte nicht realistisch sind.
Klare Erwartungen an die Kommission zur Reform der Schuldenbremse
Die Nordländer verbinden klare Erwartungen mit der vom Bund eingesetzten Kommission zur Reform der Schuldenbremse. Die Regeln zur Schuldenbremse müssen mit Augenmaß weiterentwickelt werden. Ziel ist es, finanzpolitische Stabilität und notwendige Zukunftsinvestitionen besser auszubalancieren. Das Sondervermögen des Bundes für Infrastruktur und Klimaneutralität ist ein erster wichtiger Schritt, um den Rückstand bei den öffentlichen Investitionen abzubauen. Zusätzlich muss sichergestellt werden, dass durch eine Anpassung der Schuldenbremse im Grundgesetz notwendige und sachgerechte Investitionen bei Bund, Ländern und Kommunen auch jenseits der bisherigen Schuldenregeln möglich sind. Die Nordländer fordern zudem, in Krisenzeiten überjährig Notkredite aufnehmen zu können. Die vergangenen Jahre haben deutlich gezeigt, dass außergewöhnliche Belastungen – etwa nach der Corona-Pandemie – nicht nach einem Kalenderjahr enden.
Erbschaftsteuer gerecht reformieren
Die aktuelle Diskussion zu einer möglichen Reform der Erbschaftsteuer wird von den Nordländern begrüßt. Im Fokus steht die Forderung nach Steuergerechtigkeit. Die Erbschaftsteuer bleibt eine unverzichtbare Finanzierungsquelle für die Länder, sie muss aber einfacher und gerechter werden. Bei einer möglichen Reform sollten nach Ansicht der Nordländer auch Erkenntnisse aus dem Jahresgutachten 2025/2026 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung herangezogen werden. Es wird erwartet, dass das Bundesverfassungsgericht mit der anstehenden Entscheidung zur Erbschaftsteuer zusätzliche Hinweise zum Reformbedarf geben wird.
Task Force zur Geldwäschebekämpfung aus Schleswig-Holstein
Im Rahmen der Konferenz wurde die Task Force zur Geldwäschebekämpfung aus Schleswig-Holstein vorgestellt. Diese wurde Ende 2024 gegründet und sorgt für eine engere Vernetzung und einen regelmäßigen Austausch zwischen Polizei, Steuerfahndung und Staatsanwaltschaften bei der Geldwäschebekämpfung. In diesem Zusammenhang forderten die Nordländer den Bund auf, das Thema Geldwäschebekämpfung gezielt anzugehen und hierbei eine koordinierende Rolle einzunehmen. Im Koalitionsvertrag der Ampelregierung war bereits ein eigenes Bundesamt zur Bekämpfung der Finanzkriminalität geplant, das Ermittlungen und Aufsicht bündeln sollte. Diese Idee sollte der Bund wieder aufleben lassen und dadurch die gemeinsame Geldwäschebekämpfung deutlich stärken. Die Länder sind sich einig, dass nur durch eine enge Vernetzung der Behörden in Bund und Ländern langfristig gezielt und erfolgreich gegen illegale Finanzströme vorgegangen werden kann.
Stärkere Resilienz im Zahlungsverkehr und bei der Liquiditätsversorgung
Ein weiteres Thema der Konferenz war die Stärkung der Ausfallsicherheit in zentralen Finanzprozessen der Landesverwaltungen. Die Nordländer diskutierten, wie sich Zahlungsverkehr und Liquiditätsversorgung in Notsituationen gegenseitig absichern lassen, beispielsweise durch sogenannte Back-up-Lösungen oder Verwaltungsvereinbarungen zwischen den Ländern. Ziel ist es, dass wichtige Zahlungen sowie kurzfristige Liquiditätsbeschaffungen auch dann gewährleistet bleiben, wenn IT-Systeme oder Kreditstrukturen vorübergehend ausfallen. Erste Kooperationen dieser Art bestehen bereits zwischen Hamburg und Bremen. Ähnliche Modelle sollen auch in anderen Ländern zur Stärkung der Krisenfestigkeit geprüft werden.
Gerald Heere, Finanzminister Niedersachsen: „Das Sondervermögen des Bundes und die neuen Verschuldungsmöglichkeiten der Länder sind wichtige Schritte, um den über Jahrzehnte aufgebauten Sanierungsstau anzugehen. Aber es wäre zu kurz gesprungen, wenn es dabei bleiben würde. Deshalb sind wir uns im Kreis der Nordländer einig, dass eine Überarbeitung weiterer Elemente der Schuldenbremse nötig ist. Unser Ziel ist es, kommenden Generationen ausreichende Investitionen in einen starken Standort zu ermöglichen und damit neue wirtschaftliche Dynamik zu erzeugen.“
Dr. Silke Schneider, Finanzministerin Schleswig-Holstein: „Die heutige Konferenz hat erneut gezeigt, wie wichtig der Austausch zwischen den Finanzressorts im Norden ist. Klar ist, die Schuldenbremse muss mit Augenmaß reformiert werden, damit die Länder in Krisenzeiten handlungsfähig bleiben und notwendige und sachgerechte Zukunftsinvestitionen umsetzen können. Gleichzeitig senden wir einen Appell an den Bund und fordern ihn auf, bei der Geldwäschebekämpfung eine koordinierende Rolle einzunehmen und die Länder stärker zu unterstützen. Auch die Erbschaftsteuer muss einfacher und gerechter werden: Dazu gehört die kritische Überprüfung der zahlreichen Steuerbegünstigungen etwa für Betriebsvermögen.“
Dr. Andreas Dressel, Finanzsenator der Hansestadt Hamburg: "Länder und Gemeinden stehen vor gravierenden finanziellen Herausforderungen. Deshalb können Entlastungen für Gastronomie und Pendler nur mit Kompensationen seitens des Bundes kommen. Wir brauchen außerdem zeitnah eine Reform der Erbschaftsteuer: Dass sich sehr reiche Erben auf null rechnen können, ist weder für die Steuergerechtigkeit noch für die Haushalte akzeptabel. Auch die im Bundeskoalitionsvertrag versprochene Anhebung des Gewerbesteuermindesthebesatzes muss kommen: Steuerdumping in Gewerbesteueroasen sollte nicht mehr möglich sein. Daneben muss auch das Thema Steuervereinfachung höchste Priorität bekommen. Bei den Fundamenten unserer Finanzverfassung brauchen wir eine Fortschreibung der Reform der Schuldenbremse: Verstetigung der zusätzlichen Investitionsmöglichkeiten und Öffnung der Verteidigungsausnahme insbesondere für Zivilschutzbedarfe der Länder, das sind nur zwei Beispiele, wo wir ansetzen sollten."
Finanzsenator Björn Fecker, Freie Hansestadt Bremen: „Steuergerechtigkeit verträgt sich nicht mit den enormen Privilegien für große Unternehmensvermögen. Dass man bei einem Erbe von 26 Millionen Euro unter Umständen als Firmenerbe keinen Cent Erbschaftsteuer zahlt, während Menschen mit deutlich geringerem Erbe Steuern zahlen müssen, kann so nicht bleiben. Wir brauchen eine Reform für mehr Steuergerechtigkeit. Es liegen verschiedene Optionen vor, damit auch Firmenerben bei der Erbschaftsteuer stärker einbezogen werden, ohne dass dadurch die Unternehmenssubstanz und Arbeitsplätze gefährdet werden. Dies gilt es konsequent weiterzuverfolgen.“
Dr. Carola Voß, Finanz- und Digitalisierungsstaatssekretärin Mecklenburg-Vorpommern: „Konferenzen wie die Nord-Finanzministerkonferenz sind wichtig, weil sie den Raum schaffen, um voneinander zu lernen und gemeinsame Lösungen für Krisenfestigkeit zu entwickeln. Die Verbindung von Back-up-Lösungen im Zahlungsverkehr und abgestimmten Verfahren zur Liquiditätsversorgung stärkt die Handlungsfähigkeit der Länder – selbst dann, wenn Systeme oder Strukturen einmal ausfallen. So sorgen wir gemeinsam dafür, dass der Staat auch in schwierigen Situationen zuverlässig funktioniert.“